Der Tag hatte einen guten Verlauf genommen. Sedura Dres, die Stellvertreterin des Oberhauptes der Sklavenjäger in deren Hände ich mich begeben hatte, rief einige Sklaven zusammen, darunter auch mich.
Die Sedura hatte in den letzten Tagen bereits offenkundiges Interesse gezeigt, mich für ihren Eigenbedarf einzukaufen. Ich wusste nur wenig über die Sedura, aber die Aussicht darauf möglicherweise schon bald wieder in geordnete Verhältnisse zu kommen, gab mir ein gutes Gefühl. War ihre Entscheidung dazu bei dem Mahl gefallen, dass ich im Auftrag der Sedura Vedrem für die Herrschaften kochen durfte? Wer weiß. Aber schon ihre rothwardonische Herrin wusste ihre Kochkünste zu schätzen, und zu verfeinern.
Diesesmal ging es allerdings nicht darum etwas zu kochen. Die Sedura wollte die Festung verlassen, um Kräuter und andere Pflanzen zu sammeln. Dazu wollte sie drei Sklaven nutzen - Wurm, Mie und mich. Tatsächlich? Wir würden nicht nur aus dem Keller oder aus dem Haupthaus kommen, sie wollte uns sogar mit vor die gut verborgene und schwer erreichbare Festung nehmen? Frische Ascheluft? Tageslicht? Ich konnte meine Aufregung, trotz der Disziplin- und Atemübungen, die mir meine Ausbilder einst bis zum umfallen abverlangten, nur sehr schwer verbergen.
Begleitet wurden wir von berittenen Wachleuten - Serjo Nav'rhal und Sedura Arrenthin. Und auch Sedura Dres ritt auf einem stolzen, muskulösen Hengst, der den Namen Vulkan trug. Wir Sklaven gingen mit unseren Erntekörben zwischen ihnen.
Es war eine Wonne. Sanfte Ascheflocken legten sich auf unsere Haut und Haare, es gab so viele vermisste Düfte, Farben, Eindrücke.
Lavendel durften wir für die Sedura ernten. Sie gab genaue Instruktionen, wie wir das Kraut pflücken sollten und worauf wir noch achten mussten.
Ich durfte sogar wieder singen - und sang das Lavendel-Lied, das Jannik in unseren Kindertagen so gerne hörte. In Gedanken kehrte ich in diese unbeschwerte Zeit, die mir wie das Leben einer Anderen vorkommt, zurück. Summende und brummende Hummeln, ein schillernder Schmetterling... Es war eine Zeit, als ich in einem Schmetterling seine Schönheit und Freiheit sah, nicht das alchemische Pulver, dass sich aus seinen Flügeln gewinnen ließ.
Die Zeit verging im Fluge. Unsere Körbe füllten sich. Und die Sedura war mit unserer Arbeit zufrieden. Sie erlaubte uns sogar, etwas für uns selbst zu pflücken oder einzusammeln. Ich musste nicht lange überlegen. Ich sammelte mir ein Bund Lavendel von dem, dessen Qualität nicht gut genug für die Sedura war. Ich würde ihn trocknen und dann ein Säckchen damit füllen - Ein Lavendelsäckchen, wie die, die wir mit unserer Mutter früher oft gefüllt hatten, und die so herrlich neben dem Kopfkissen oder im Schrank dufteten. Vielleicht konnte der Duft des Lavendels den Geruch im Sklavenquartier etwas mildern, wenn ich nachts auf meinem Strohlager lag.
Aber den persönlichen Höhepunkt erreichte dieser Tag für mich, als die Sedura, beinahe beiläufig, verkündete, dass sie mich gekauft hat und ich jetzt ihr gehörte. Ich war wie erstarrt und wusste gar nicht meine Freude darüber zum Ausdruck zu bringen.
Wurm, ihr anderes Eigentum, trug auf ihr Geheiß hin die Regeln der Sedura vor. Regeln von Sklavenhaltern ähneln sich in vielen Punkten. Und das ist auch gut so, fällt es einem als Sklavin dadurch doch leichter, Fehler zu vermeiden.
Natürlich schützt es nicht immer vor Bestrafung, wenn man seine Aufgaben pflichtbewusst erfüllt. Über allem steht die eine, stets ungenannte Regel: Der Herr / die Herrin hat immer recht.
Es ist der Willkür-Faktor, den ich auch schon am eigenen Leibe zu spüren bekam.
Die Regel muss nicht genannt werden. Es versteht sich von selbst, dass der Besitzer mit seinem Eigentum verfahren kann, wie er es gerade möchte.
Ich war frohgemut und innerlich von warmer Freude erfüllt, als wir uns auf den Weg zurück in die Festung machten. Der Duft von Lavendel umgab uns.
Sedura Dres hatte gleich eine einfache Aufgabe für mich. Ich sollte ihren Hengst Vulkan in den Stall führen und versorgen.
Im Laufe der Jahre habe ich eine Vielzahl von Reittieren versorgt. Pferde schon seit meiner Kindheit. Später auch Guare und Kamele.
Allen – auch negativen - Erlebnissen zum Trotz mochte ich Tiere schon immer.
Vulkan ist ein stolzes, kraftvolles Tier. Ein schwarzes, glanzvolles Fell, weiße Mähne und Schweif, und weiße Füße. Seine Pracht und Kraft stand im vollkommenen Widerspruch zur alten, bretonischen Pferdehändler-Weisheit „Vier weiße Füße - gar nicht erst kaufen / Drei weiße Füße - behalt`s nicht zu lang' / Zwei weiße Füße - schenk's einem Freund / Ein weißer Fuß - behalt' es ein Leben lang“ - ja, Vulkan strafte diese Weisheit sogar Lügen.
Er ließ sich ohne Probleme in den Stall führen – aber führte er eigentlich mich? Er ließ sich absatteln und sein Halfter abnehmen – aber war er nicht nur wie ein Herr, der sich von seinem Sklaven aus der Reisekleidung helfen ließ?
Kaum war er vom Zaumzeug befreit, da brach der Vulkan aus, da zeigte er, warum er diesen Namen wirklich trägt. Er bäumte sich auf, so dass ich rückwärts taumelte und ins Stroh fiel. Aber er trat nicht nach, sondern wich tänzelnd um mich herum aus. Wehtun wollte er mir wohl nicht.
Mit lautem Hufgetrappel stürmte er aus dem Stall. Er war der Herr, und ich hatte ihm nicht zu sagen, wann er in den Stall soll.
Bis ich mich aufgerappelt hatte und aus dem Stall folgte, war er auch schon an einem Kirschbaum, rupfte die Blüten vom Baum und ließ sie sich schmecken. Er dampfte. Schwang seinen Schweif. Offenbar war er guter Dinge – Mir war ganz mulmig.
Versagte ich schon gleich bei der ersten Aufgabe für meine neue Herrin? War ich nicht mal in der Lage ein Pferd in den Stall zu bringen? Und wie bekam ich ihn nun doch dazu, mir in den Stall zu folgen?
Ein ungeschriebenes Gesetz – obwohl, vielleicht wurde darüber mittlerweile durchaus geschrieben – besagt, dass ein Unglück selten alleine kommt. Und wenn etwas Schlimmes passiert, dann hat es im Gefolge noch Verschlimmerungen.
Diesem Ausbruch des roten Berges folgten zwei Lavaströme des Unglücks. Zunächst stellte sich mir ein Serjo in den Weg, der wohl gerade seinen Schwertarm trainiert hatte. Hochgewachsen für einen
Dunmer. Muskulös. Ein Krieger seines Volkes... und es stellte sich heraus, dass es ausgerechnet der Sohn der Sedura war, der dieses erbärmliche Schauspiel meines Versagens mit ansah. Das zweite Unglück ist ein Beweis dafür, dass der Kosmos einen grausamen Humor für uns bereithält. O Liebende, wo ist dein Geburtssegen geblieben?
Vulkan hatte sich ausgerechnet den Baum ausgesucht, auf den sich der junge Serjo, der mit den Sklaven gerne seine grausamen Späße treibt, zurückgezogen hatte, um etwas in ein Buch zu schreiben – vielleicht führte er ein Tagebuch der Grausamkeiten?
Sein Buch purzelte herab, als Vulkan ihm nahe rückte.
Das war schon schlimm.
Aber...
Das Buch war plötzlich für das riesige Pferd wesentlich interessanter, als Kirschblüten oder die Stiefel des jungen Serjos. Hatten die Daedra ihre Finger im Spiel? Das Pferd nahm doch tatsächlich das ledergebundene Buch zwischen seine mahlenden Zähne – zum Glück ledergebunden, ansonsten hätte es die papierenen Seiten vielleicht schon verschlungen.
Es war grotesk und grausam. Ich stand wie erstarrt da. Der Sohn der Sedura hatte mir einen Platz zugewiesen, an dem ich mitverfolgen musste, was mein Versagen für Folgen hatte.
In ruhigem Ton, ganz unaufgeregt, sagte er: „Das ist Vulkan, der wildeste Hengst im Stall. Keiner vermag ihn zu halten, wenn es dich tröstet.“ Ein Trost war das nicht. Die Sedura musste gewusst haben, was passieren würde. War es ein Test, wie ich mit einem unlösbarem Problem umginge?
„Es gibt nur eine Möglichkeit ihn zu lenken“, fuhr Serjo Thumar fort, „doch sehen wir uns erst an, ob Serjo Nazrilh dem Tier auch so Manieren beibringen kann.“ So also hieß der junge Serjo.
Meine Beine waren schwer wie Felsbrocken. Konnte das noch als EIN Fehler durchgehen, den mir die Sedura straflos vergeben würde?
Das Pferd schien den jungen Saerjo zu verspotten, mit ihm spielen zu wollen. Es trabte fröhlich im Kreis, das Buch im Maul, und ließ den Serjo sich nachjagen. Dieser sah aus, als wollte er am liebsten mit dem Pferd ringen – und der Hengst sah aus, als würde er grinsen.
Manieren brachte Serjo Nazrilh diesem Vulkan nicht bei.
Serjo Thumar hatte wohl ein Einsehen. Oder er wurde des Anblicks müde. „Es gibt nur eine Möglichkeit, und die heißt Basalt“, er machte eine kurze Pause um den Worten Nachdruck zu verleihen. „Dieser Teufel hier – ich war sechs Jahre mit ihm auf Reisen – lässt sich nur von der Sedura reiten und zähmen. Falls du in die Verlegenheit kommst, dass er dir durchgeht, frage Basalt. Er wird dir helfen.“
Basalt. Noch ein Serjo, den ich nicht einordnen konnte. Es war der riesige schwarze Khajiit-Serjo, der mir im Keller begegnete. Ich würde froh sein, wenn dieser Tag vorbei war. Egal, was daraus noch folgen würde.
Serjo Thumar schickte mich Serjo Basalt holen. Ich selbst sollte dann einer anderen Aufgabe übernehmen, und alles weitere dem Khajiit überlassen.
Ich bedankte mich und ging, so schnell es meine bleiernen Beine und mein dumpf pochender Po es zuließen, in die Festung, um Serjo Basalt zu suchen. Ich hoffte nur, dass wenigstens jetzt nichts mehr schief ginge...
[Vulkan grinst und Nazrilh schäumt.]